Ein Artikel von Dr. Johannes Hebenstreit, 5020 Salzburg

Der Kunde hatte einen Krankenversicherungsvertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, dem die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaus-Taggeldversicherung zugrunde lagen. Er kündigte den Vertrag, allerdings zeitwidrig, d.h. die Fristen und Termine der Versicherungsbedingungen wurden nicht eingehalten. Die Versicherung wies ihn schriftlich darauf hin und deutete die Kündigung in eine ordnungsgemäße, d.h. zum nächstmöglichen Beendigungszeitpunkt ausgesprochene Kündigung um. Noch vor diesem Beendigungszeitpunkt, somit während aufrechtem Versicherungsverhältnis, „widerrief“ der Kläger aber plötzlich seine Kündigung und behauptete, diese sei bloß aufgrund eines Missverständnisses geschickt worden. Darauf reagierte der Versicherer nicht.

Als sich der Mann in der Folge – nach Ablauf des vom Versicherer angenommenen Beendigungszeitpunkts – bei einem Sturz schwer verletzte, musste er 69 Tage stationär im Krankenhaus behandelt werden. Die Leistung des Krankenversicherers blieb allerdings aus; der Versicherer teilte dem Patienten mit, dass eine Rücknahme bzw. ein Widerruf der Kündigung nicht möglich sei und der Vertrag dementsprechend schon vor dem Sturz geendet habe. Die Sache landete letztlich vor Gericht.

In seiner Klage argumentierte der Kunde, dass der Versicherungsvertrag weiterhin aufrecht sei. Weil der Versicherer nicht auf seine „Kündigungsrücknahme“ reagiert habe, sei von seiner Zustimmung zum Weiterlaufen der Krankenversicherung auszugehen.

Das Erstgericht konnte dieser Argumentation nichts abgewinnen und wies deshalb die Klage ab. Das Berufungsgericht sah es jedoch umgekehrt und gab der Klage statt. Diese Entscheidung wurde letztlich vom OGH bestätigt[1]:

Der Versicherer hat eine unwirksame Kündigung zurückzuweisen. Tut er das nicht, muss er sich so behandeln lassen, als wäre der Versicherungsvertrag wirksam gekündigt worden. Dies folgt aus dem Grundsatz von Treu und Glauben[2]: Das Schweigen des Versicherers zur unwirksamen Kündigung ist als Annahme eines in der Kündigung liegenden Angebots auf Vertragsaufhebung zu sehen.

Aufgrund der gleichen Interessenslage hat der Versicherer auch den Widerruf einer zeitwidrigen Kündigung zurückzuweisen, denn in diesem Widerruf ist ein Angebot zur Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses zu sehen. Schweigt der Versicherer zum Widerruf, darf der Kunde davon ausgehen, dass das Angebot auf Fortsetzung angenommen wird.

Der Versicherer musste daher den Schadensfall decken.

[1] OGH vom 15.06.2016, 7 Ob 86/16x.
[2] Zum Grundsatz von „Treu und Glauben“ im Versicherungsrecht siehe auch Artikel 02-2016.

 

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