Ein Artikel von Dr. Johannes Hebenstreit, 5020 Salzburg

Selbstbehalte in der Rechtsschutzversicherung –
Darf die freie Anwaltswahl etwas kosten?

Zahlreiche Rechtsschutzversicherungsverträge enthalten eine Klausel, wonach der Versicherungsnehmer, der seinen Rechtsvertreter frei wählen will, einen Selbstbehalt zu tragen hat. Der Selbsthalt entfällt hingegen, wenn der Versicherungsnehmer einen sog. „Vertragsanwalt“ des Versicherers akzeptiert. Die Frage, ob eine solche Regelung mit § 158k VersVG vereinbar ist, gehört zu den Dauerthemen in diesem Bereich.

Nach § 158k VersVG ist jeder Versicherungsnehmer berechtigt, in Gerichts- oder Verwaltungsverfahren einen Rechtsanwalt seiner Wahl zu beauftragen(1). Dieses Recht wird von den Versicherern grundsätzlich nicht in Frage gestellt; allerdings wird in vielen Tarifvarianten die Ausübung des Wahlrechts eben an einen Selbstbehalt gekoppelt. Die Zulässigkeit dieses Unterschieds im Tarif ist umstritten.

Der OGH äußerte sich erstmals 2002 zu dieser praktisch wichtigen Frage(2). Er entschied damals, dass eine Selbstbehalt-Klausel dann gesetzwidrig sei, wenn die Höhe des Selbstbehalts eine sachlich gerechtfertigte Grenze insofern überschreite, als der Versicherungsnehmer dadurch einem psychologischen Zwang unterliege, auf sein Wahlrecht zu verzichten. Dies sei bei einem Selbstbehalt von 20 % der Fall, zumal davon nicht nur die eigenen Anwaltskosten, sondern sämtliche Verfahrenskosten erfasst wurden.

Die Begründung der damaligen Entscheidung fiel aber eher knapp aus und es fehlten ausführlichere Erwägungen zur angesprochenen „sachlich gerechtfertigten Grenze“. Dementsprechend ließ Kritik in der Literatur nicht lange auf sich warten: Einen Selbstbehalt in Höhe von 20 % generell als sachlich nicht gerechtfertigt zu beurteilen, lehnten die meisten Autoren ab(3).

Im Jahr 2012 wurde dann neuerlich der OGH mit der Frage befasst(4). Leider nutzt der OGH auch diese Gelegenheit nicht für eine Klarstellung. Vielmehr bestätigte der OGH in seiner Entscheidung im Wesentlichen nur, dass die Gesetzeslage nicht klar ist. Die Auffassung des Berufungsgerichts, welches einen 20%-igen Selbstbehalt (allerdings bei einem Unternehmer!) für zulässig erachtet hatte, bezeichnet der OGH nicht als richtig, sondern nur als „vertretbar“. Nach wie vor bleibt daher letztlich unklar, ob überhaupt – und gegebenenfalls innerhalb welcher Grenzen – Selbstbehalte bei freier Anwaltswahl vereinbart werden dürfen.

Starre, ungestaffelte Selbstbehalte von 20 % auf alle Verfahrenskosten werden allerdings zumindest bei Verbrauchern nicht zulässig sein.

 

  1. Zulässig ist nur die vertraglich vereinbarte Beschränkung der Auswahl auf ortsansässige Parteienvertreter. Außerdem  gibt es kein generelles Wahlrecht, wenn es nicht um ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren geht, sondern etwa nur um eine Beratung.
  2. OGH vom 22.05.2002, 7 Ob 32/02k.
  3. Vgl. z.B. Kronsteiner, Rechtsschutz-Richtlinie, Interessenkollision und freie Anwaltswahl, VR 2003, 36 ff; GrasslPalten, Rechtsschutzversicherung: Darf die freie Anwaltswahl etwas kosten, RdW 2002, 646 ff.
  4. OGH vom 23.03.2012, 1 Ob 30/12m.

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