Ein Artikel von Dr. Johannes Hebenstreit, 5020 Salzburg

Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls mit Totalschaden bekommt nach ständiger Rechtsprechung nicht den Reparaturaufwand ersetzt, sondern die Differenz zwischen dem Wert des Fahrzeuges im Zeitpunkt unmittelbar vor dem Unfall (sog. „Zeitwert“) und dem Wert des Fahrzeuges nach dem Unfall (sog. „Rest-“ oder „Wrackwert“) (1). In der Praxis werden diese Werte in aller Regel von einem Sachverständigen ermittelt, den die Haftpflichtversicherung des Schädigers beauftragt. Die starke Verbreitung internetbasierter Wrackbörsen in den letzten Jahren hat allerdings ein derzeit besonders häufig diskutiertes Rechtsproblem geschaffen: Ist der Restwert jener Betrag, den der lokale Gebrauchtwagenhändler anbietet oder jener – mitunter weit höhere – Betrag, der in Internetwrackbörsen erzielt werden kann?

Der OGH hat sich in einer aktuellen Entscheidung dazu wie folgt geäußert: Der Geschädigte ist grundsätzlich berechtigt, an den lokalen Gebrauchtwagenhändler zu verkaufen. Eine Marktforschung oder Recherche im Internet kann ihm nicht abverlangt werden. Wird dem Geschädigten allerdings von der Haftpflichtversicherung des Schädigers ein Angebot aus einer Wrackbörse „auf dem Silbertablett“ serviert, so hat der Geschädigte nur Anspruch auf die Differenz zwischen Zeitwert und Wrackbörsenangebot(2).

Von einem solchen Angebot aus einer Wrackbörse ist allerdings zu fordern, dass der Geschädigte nicht mit weiteren Risiken oder Aufwendungen durch den Verkauf belastet wird. Dementsprechend ist es notwendig, dass bereits im Anbot darauf hingewiesen wird,

  • dass das Wrack unentgeltlich abgeholt wird,
  • dass bei Abholung Barzahlung erfolgt (andernfalls käme es zu einer Überwälzung des Insolvenzrisikos),
  • und dass die im Angebot inkludierte Umsatzsteuer bei Verbrauchern Brutto für Netto gilt (andernfalls könnten für den Geschädigten Unklarheiten auftreten)(3).

Angebote aus Wrackbörsen sind daher nicht irrelevant. Nur wenn diese Angebote aber den oben genannten Kriterien entsprechen, sind für den „Wrackwert“ maßgebend. Andernfalls zählt nicht das Internet-Angebot, sondern jener Betrag, den ein lokaler Gebrauchtwagenhändler zahlen würde.

  1. Näheres dazu bei Fucik/Hartl/Schlosser (Hrsg.), Handbuch des Verkehrsunfalls, 6. Teil, Rz 799 ff.
  2. OGH vom 14.03.2013, 2 Ob 18/13f.
  3. LG Leoben vom 11.11.2010, 1 R 182/10x.

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