Ein Artikel von Dr. Johannes Hebenstreit, 5020 Salzburg

Für Probefahrten mit nicht zum Verkehr zugelassenen Fahrzeugen oder Anhängern auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wird von den Zulassungsstellen der Versicherungsgesellschaften ein Probefahrtkennzeichen (oft auch als „Probekennzeichen“ bezeichnet) ausgegeben. Diese blauen Kennzeichen sind nicht zu verwechseln mit den grünen Überstellungskennzeichen und dienen Kfz-Werkstätten meist dazu, im Rahmen des Betriebs diverse Fahrten zur Überprüfung oder Überstellung von Fahrzeugen durchzuführen. In § 45 KFG wird dazu genau definiert, für welche Zwecke die Verwendung der „blauen Taferl“ zulässig ist.

Zwei aktuelle OGH-Entscheidungen bestätigen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen, unter denen ein Probefahrtkennzeichen verwendet werden darf, eng auszulegen sind, und jede Benützung, die nicht von § 45 KFG gedeckt ist, eine missbräuchliche Verwendung darstellt:

In einer Entscheidung(1) ging es um einen Gebrauchtwagenhändler, der ein Probefahrtkennzeichen verwendete, um sein Fahrzeug einem Kaufinteressenten vorzuführen. Der Gebrauchtwagenhändler war zwar mit dem Fahrzeug tatsächlich auf dem Weg zu einem Kaufinteressenten, hatte aber seine Ehefrau mitgenommen, um sie unterwegs bei ihrer Mutter abzusetzen. Im Rahmen der Fahrt kam es zu einem Unfall, aufgrund dessen der Haftpflichtversicherer Zahlungen tätigen musste. In der Folge klagte der Haftpflichtversicherer den Gebrauchtwagenhändler wegen gesetzwidriger Verwendung von Probekennzeichen, um sich zu regressieren. Die Klage war letztlich erfolgreich.

Der OGH stellte zwar klar, dass mit dem Hauptzweck einer Probefahrt durchaus auch untergeordnete Nebenzwecke verbunden werden können; so ist zB unschädlich, wenn anlässlich einer Probefahrt eine Toilette oder eine Tankstelle aufgesucht wird. Dient eine Fahrt aber zunächst den gesetzlich erlaubten Zwecken und wird dann eine reine Privatfahrt damit verbunden, liegt insgesamt eine Privatfahrt vor.

In der zweiten Entscheidung(2) ging es um die Überlassung von Probefahrtkennzeichen an dritte Personen. Der Inhaber einer Werkstätte hatte einem Kunden, den er offenbar gut kannte, auf dessen Bitte hin ein Probefahrtkennzeichen überlassen. Erneut kam es zu einem Unfall und auch in diesem Fall konnte sich der Versicherer erfolgreich regressieren. Jede echte Probefahrt muss gemäß § 45 KFG „im Rahmen des Geschäftsbetriebs“ erfolgen; werden die Kennzeichen aus Gefälligkeit weitergegeben, liegt eine missbräuchliche Verwendung vor.

Bei der Verwendung von Probefahrtkennzeichen ist daher insgesamt Vorsicht geboten. Keinesfalls sollte man sich Probefahrtkennzeichen „ausleihen“ oder damit Fahrten unternehmen, die nicht unzweifelhaft und ausschließlich Zwecken dienen, die im Rahmen des geschäftlichen Betriebs des Probekennzeicheninhabers (d.h. der Werkstätte) erfolgen.

  1. OGH vom 02.07.2015, 7 Ob 81/15k.
  2. OGH vom 09.04.2015, 7 Ob 47/15k.

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